Verwandelte Nacht
Acht Choraltransformationen zur Advents- und Weihnachtszeit für Chor (2022)
(30min)
Inhalt:
O Heiland, reiß die Himmel auf (SATB)
Komm, du Heiland aller Welt (TTB)
Die Nacht ist vorgedrungen (SATB)
Kündet allen in der Not (SSAA)
Wie soll ich dich empfangen (SATB)
In the bleak midwinter (SATB)
Es ist ein Ros entsprungen (SATB)
Wie schön leuchtet der Morgenstern (SATB)
Information
Der Band versammelt verschiedene Choralbearbeitungen, die für den Bach-Chor Hagen, einen ambitionierten Laien- bzw. semiprofessionellen Chor unter der Leitung von Prof. Christopher Brauckmann, entstanden sind. Der Titel Choraltransformationen verweist auf die kompositorische Idee dieser Stücke: Ausgehend von der Melodie werden neue melodische und polyphone Verflechtungen entwickelt und unerwartete Abzweigungen ins Dickicht akkordischer Farben genommen. Manche der Vertonungen bleiben dabei näher am Original, andere eröffnen von Anfang an eine völlig andersartige Welt. Verbindende Elemente sind das Spiel mit chromatischen Akkordverbindungen und polyphonen Kontrapunkten. Jeder Vertonung liegt dabei eine ganz konkrete Idee zur Verwandlung des Originals und auch ein Bezug zur inhaltlichen Dimension des Textes zugrunde:
Bei “O Heiland, reiß die Himmel auf” ist es die Kombination der Melodie mit einer chromatischen Gegenmelodie und die Engführung im Kanon.
”Komm, du Heiland aller Welt” lässt die Melodie von der mittelalterlichen Einstimmigkeit allmählich zur Vierstimmigkeit aufblühen.
Wie die nahende Geburt Jesu noch im Dunkel des Advents verborgen ist, so wird bei dem Lied “Die Nacht ist vorgedrungen” die eigentliche Melodie in den Altstimmen verborgen und stattdessen eine neue, wehmütige Sopranmelodie darüber gelegt, die sich wie eine Ranke um den Choral windet.
Nur für Frauenstimmen ist “Kündet allen in der Not” gesetzt, im Zentrum stehen hier leise Cluster mit Vokal- und Summtönen, welche die rhythmisch freiere Melodie in ungewohnte Pastelltöne tauchen.
”Wie soll ich dich empfangen”, eine Hommage an Bach, greift eine typische harmonische Wendung seiner Zeit auf, die sogenannte Quintfallsequenz, die im Barock gerne als Überbrückung längerer Passagen dient und sich als Hörer auch gut vorausahnen lässt. Hier wird sie in extremer Weise auf das ganze Stück angewendet, die Akkorde scheinen dadurch in einer Abwärtsspirale immer zu weiter fallen und dennoch nie anzukommen, ähnlich den unmöglichen Treppen des Künstlers M C Eschers, die in eine Richtung zu ihrem Anfang zurückführen.
Die Vertonung von “In the bleak midwinter” ist Teil eines kollaborativen Projekts mehrere Komponisten gewesen, die je eine Strophe beigesteuert haben. Diese ist die letzte des Liedes, das lyrische Ich bezeichnet sich hier etwas resignierend als arm (wohl im materiellen wie im geistigen Sinn) und träumt doch von einem würdigem Geschenk an den neugeborenen Christus: If I were a wise man I would do my part. Doch das Träumen wird erfüllt: Der harmonisch sehr anspruchsvolle Satz verwendet eine der charakteristischen Skalen des Komponisten Olivier Messiaen und erlaubt dem lyrischen Ich damit ein geistig würdiges Geschenk.
Sehr viel behutsamer wird der Choral “Es ist ein Ros entsprungen” verwandelt: Der originale Satz des wohl bekanntesten Stückes von Michael Prätorius (der übrigens seinen eigentlichen Nachnamen Schultheis selber latinisierte) wird zunächst beibehalten und nur allmählich durch andere Wendungen ersetzt, dabei bleiben jedoch einzelne originale Phrasen bis zum Schluss erhalten.
Die umfangreichste Bearbeitung ist “Wie schön leuchtet der Morgenstern”. Die Melodie wird hier von Anfang an stark aufgebrochen, rhythmisch stark gedehnt und in eingefrorene Einzeltöne zerlegt, die an das unveränderliche Leuchten des Morgensterns erinnern. Harmonisch liegen hier in Reihen organisierte diatonische, später chromatische Akkordstrukturen zugrunde. Solistische Melodien steigen wie ein Sonnenaufgang im weiteren Verlauf über die Akkordprozesse hinweg. Die zweite Strophe bricht dann komplett mit dieser ätherischen Klangwelt und zelebriert stattdessen die besungene “freudenreiche musica” durch schwungvolle synkopische Rhythmen.